Die alte Frau mochte nicht mehr allzugut sehen, aber ihr Verstand war scharf wie eh und je.
"Bleibt hier, junger Fremdling! Ihr dürft nicht in den verbotenen Wald!"
Verbotener Wald? So hatte man ihn zu der Zeit, da ich gegangen war, noch nicht geheißen. Aber das lag auch schon mehr als acht Jahre zurück. Und ein unheimlicher, düsterer Ort war dieser Wald seit jeher. Dort, daran zweifelte niemand, lebten Zwerge, Trolle, Elfen und andere Zauberwesen. Geister der Dunkelheit, die den Menschen Böses wollten. Ja, das glaubten gewiß auch heute noch viele.
"Warum ist der Wald ein verbotener Ort, Mütterlein?" Ich ahnte, was sie sagen wollte, aber ich mußte es genauer wissen.
Sie senkte die Stimme, als fürchte sie, der Wald oder einer seiner Bewohner würde zuhören. "Der Wald ist verflucht", sagte sie mit einer merkwürdig heiseren Stimme. "Niemand, der ihn betrat, kehrte je wieder in unser Dorf zurück. Mit der Zeit verschlang er die Hälfte aller Männer des Dorfes. Auch Fremde verschonte er nicht. Niemand kam zurück." Klang da Trauer, klangen da Tränen in ihrer ach so alten Stimme mit?
Fast hätte ich fragen mögen, woher sie denn wisse, daß man den Wald nicht auf anderem Wege hätte verlassen können. Ob sich nicht vielleicht hinter dem Wald ein weiteres Dorf oder gar eine Stadt befände, ein Ort, den die Verschwundenen aufgesucht haben könnten, weil er ihnen besser gefiel als das kleine Dorf. Doch ich schwieg. Das war für die Dörfler sicherlich nicht vorstellbar.
Über meinen Gedanken entging mir beinahe, daß sie weitersprach. "Keiner der Jagdhunde wollte jemals in den Wald. Die Männer jagten trotzdem dort … und sie verschwanden. Eine unserer jungen Frauen ging auf der Suche nach Mann und Sohn in den Wald und kehrte ebenfalls niemals wieder …" Ihre Stimme verlor sich im leisen Säuseln des Windes.
Der Wald war auf gar keinen Fall verflucht, soviel stand fest. Ich selbst hatte mit dreizehn Lenzen das Dorf verlassen. Und ich, war ich etwa verschwunden? Gut, es mochte etwas gedauert haben, bis ich zurückkam, aber ich war wieder da. Oder vielleicht nicht?
Die alte Frau erkannte mich nicht. Aber wie sollte sie auch? Ich erinnerte mich auch nicht wirklich an sie, obwohl das Dorf nicht viele Bewohner hatte und obwohl man sich im Alter weniger veränderte als in der Zeit zwischen Kindheit und Großjährigkeit. Acht Jahre jedoch, das war schon eine lange Zeit. Nein, ich hatte keine Ahnung, wer sie war. Allerdings war es auch nicht meine Aufgabe, das herauszufinden.
Die Vorstellung, es gäbe Geister im Wald, war so falsch ja nun nicht. Ich hatte in meinen Jahren dort viel erfahren und viel gelernt. Die meisten Menschen, die den Wald betraten, hatten sich aufgeführt, als gehöre alles dort ihnen. Sie hatten den Wald nicht respektiert, die Geister nicht – so wie ihre Urahnen lange zuvor – um eine gute Jagd oder um eine reiche Pilzernte gebeten. Und der Wald gehörte eben den Geistern, nicht den Menschen. Beide, die Geister und der Wald, waren schon seit langer Zeit hier, sehr viel länger als die Menschen.
"Kommt", flüsterte sie nun, "kommt mit mir. Es geht schon gegen Abend. Die Zeit der Geister beginnt, da sollte man nicht draußen sein." Wenigstens ein paar der alten Benimmregeln gegenüber Geistern schienen noch bekannt zu sein. Es war also nicht alle Hoffnung vergebens.
"Ihr habt wohl recht, Mütterlein. Weist mir ein Nachtlager zu. Morgen aber werde ich etwas für Euch tun."
Möglicherweise hatte etwas an meiner Stimme sich verändert, das eine Erinnerung in ihr weckte. Ich weiß es nicht. Ich bemerkte nur, daß ihre Augen weiter offen waren und gar nicht mehr so trüb blickten wie anfangs noch. Sie sah mich an, mit großen, fast schwarzen Augen. Erkannte sie mich? Nein. Sie sah mich aufmerksamer an als vorher, aber das war alles. Sie wandte sich wieder ab, und wir machten uns auf den Weg.
Schweigend ging sie vor mir her, wies den Weg in ihre Kate. Nur wenige Menschen begegneten uns, fast alles Frauen. Sie grüßten die Alte flüchtig, fast nachlässig. Hatten sie Angst? Auch sie, sagte ich mir, waren auf dem Weg zu ihren Heimstätten, wollten genau wie wir in einer menschlichen Behausung angekommen sein, bevor die Nacht das Land überzog.
Die kleine Hütte, umgeben von einem winzigen, kargen Garten, war ärmlich, aber sauber. Die Frau lebte allein dort, wenn man von den beiden Ziegen und den paar Hühnern absah, die in einem kaum abgetrennten Stallbereich untergebracht waren. Immer noch wortlos wies die Alte auf einen Haufen Heu und Stroh in der Nähe der Stelle, an der die beiden Ziegen angebunden waren. Diese meckerten kurz, störten sich aber nicht weiter an mir, und ich störte mich auch nicht an ihnen. Vom Wald her war ich Tiere in meiner direkten Umgebung gewohnt. Ich zog meine Decke aus meinem Bündel und machte mich zum Schlafen fertig.
Die Frau gab ihren Tieren noch schnell frisches Wasser und Futter; dann legte auch sie sich schlafen.
Die Nacht verging. Ich schlief gut, denn die Tiere waren ruhig, und ich spürte, die Geister hatten dieses Dorf nie verlassen.
Gleich nach dem Aufwachen am nächsten Morgen bat ich sie in Gedanken um gutes Gelingen. Dann brachte ich die alte Frau zum Waldrand.
"Ich möchte Euch etwas zeigen", sagte ich zu ihr. Ihr Blick war ängstlich, aber fest auf mich gerichtet. Ob sie schon etwas ahnte?
Nun, ich ließ mir nichts anmerken, sondern tat das, was ich immer tat, wenn ich den Wald betrat. Ich lehnte mich vorsichtig an einen der Bäume und sagte: "Nehmt mich bitte freundlich auf, ihr Wesen des Waldes, denn ich möchte nicht stören. Ich suche Nahrung und Wasser und bitte euch, mir von eurem Überfluß ein weniges abzugeben."
Nichts weiter. Ich wartete. Aber mit einemmal veränderte sich der Wald.
Die Blätter der Bäume erschienen heller grün als zuvor; die Sonne durchbrach das Blätterdach. Das Unterholz, zuvor undurchdringlich anmutendes Gestrüpp, war nun nur noch hohes Gras, das im leichten Wind sanft hin und her wogte. Die rauhe Borke der Bäume mochte einem für kurze Zeit wie faltige Haut erscheinen, und die Bäume selbst wurden für Augenblicke zu Elfen, Trollen und Zwergen, die freundlich blickten und uns zu sich heranwinkten.
Die Frau zögerte nicht. Als ich mich bedankte, tat sie nämliches und folgte mir.
Wir brauchten nicht lange zu gehen, bis wir zu einer Lichtung kamen, wo aus einem kleinen Felsenhügel eine Quelle entsprang. Ihr Murmeln klang wie ein Willkommen.
Um den Fels herum standen viele große und kleine Büsche. Aus diesen traten plötzlich mehrere Menschen hervor, ältere und jüngere Männer … und eine Frau mittleren Alters. Lächelnd, aber auch mit Tränen in den Augen, kamen sie näher.
Meine Begleiterin schrie heiser auf, nur halb vor Entsetzen, zur anderen Hälfte vor Glück, denn sie hatte jemanden wiedererkannt. Drei Männer liefen zu ihr, ein alter und zwei jüngere. Weinend umarmten sie einander.
Ich bewegte mich unbemerkt in den Hintergrund. Ich wollte die Wiedersehensfreude nicht stören, mich auch nicht einmischen. Sie würden wissen, was sie nun zu tun hätten.
Und richtig, anscheinend hatten sie endlich gelernt. Sie bedankten sich für den Schutz der Geister. Sie nahmen nur das mit, was zum Leben nötig war. Sie baten die Geister um Vergebung. Es hatte lange gedauert, aber endlich, endlich hatten sie es begriffen.
Ich aber hatte meine Wahl schon vor langer Zeit getroffen. Zu den Menschen wollte ich auf keinen Fall zurück, auch wenn ich den Geistern, dem Wald nun bewiesen hatte, daß sich diese ändern konnten. Ich versteckte mich daher zwischen dichten Büschen und ein paar Zwergen. Ihre Frage war nur ein Wispern im Wind. Die Menschen, die den Wald nun verließen – in echter, tief empfundener Dankbarkeit darüber, daß sie hatten weiterleben dürfen, daß sie ihre Freunde und Familien jetzt wiedersahen – die hörten es nicht einmal. Aber ich hörte es, und ich verstand es auch.
"Wird es wieder wie früher? Werden sie sich wieder mehr um uns kümmern?"
Ich nickte. Lange hatte es gedauert, das stimmte. Aber am Ende führte gar kein Weg daran vorbei.
Ich hatte meinen Platz gefunden. Langsam verwandelte ich mich in eine Birke. Um mich herum tanzten Elfen.
"Sie sind mit ihren Gedanken wieder bei euch", flüsterte ich im Wind, noch unhörbar für die meisten anderen Menschen. "Sie haben den Respekt vor euch wiedergefunden. Gerade noch rechtzeitig."
Die Elfen lachten und tanzten.
Der Mond ging auf, und wie etwas zu bewegliche, große runde Steine tauchten die Trolle auf, sangen den Mond an und schauten den Elfen zu. Die Bäume um mich herum wiegten sich träumerisch im raunenden Wind, und ich tat es ihnen gleich.
Tue es ihnen immer noch gleich.
Täglich kommen Menschen in den Wald. Sie bitten respektvoll um unsere Gaben und erhalten sie. Sie stören den Wald nicht mehr, zerstören ihn nicht mehr. Sie leben und lassen leben.
Ich habe nicht mehr gezählt, wieviele Tage oder Jahre vergangen sind. Um mich herum singt der Wind mit den Elfen sein ewiges Lied. Zwerge spielen zwischen Steinen und Pilzen Fangen. Es herrscht Harmonie.
Deshalb denkt an mich und an die Geister, nächstesmal, wenn Ihr einen Wald betretet.
"Bleibt hier, junger Fremdling! Ihr dürft nicht in den verbotenen Wald!"
Verbotener Wald? So hatte man ihn zu der Zeit, da ich gegangen war, noch nicht geheißen. Aber das lag auch schon mehr als acht Jahre zurück. Und ein unheimlicher, düsterer Ort war dieser Wald seit jeher. Dort, daran zweifelte niemand, lebten Zwerge, Trolle, Elfen und andere Zauberwesen. Geister der Dunkelheit, die den Menschen Böses wollten. Ja, das glaubten gewiß auch heute noch viele.
"Warum ist der Wald ein verbotener Ort, Mütterlein?" Ich ahnte, was sie sagen wollte, aber ich mußte es genauer wissen.
Sie senkte die Stimme, als fürchte sie, der Wald oder einer seiner Bewohner würde zuhören. "Der Wald ist verflucht", sagte sie mit einer merkwürdig heiseren Stimme. "Niemand, der ihn betrat, kehrte je wieder in unser Dorf zurück. Mit der Zeit verschlang er die Hälfte aller Männer des Dorfes. Auch Fremde verschonte er nicht. Niemand kam zurück." Klang da Trauer, klangen da Tränen in ihrer ach so alten Stimme mit?
Fast hätte ich fragen mögen, woher sie denn wisse, daß man den Wald nicht auf anderem Wege hätte verlassen können. Ob sich nicht vielleicht hinter dem Wald ein weiteres Dorf oder gar eine Stadt befände, ein Ort, den die Verschwundenen aufgesucht haben könnten, weil er ihnen besser gefiel als das kleine Dorf. Doch ich schwieg. Das war für die Dörfler sicherlich nicht vorstellbar.
Über meinen Gedanken entging mir beinahe, daß sie weitersprach. "Keiner der Jagdhunde wollte jemals in den Wald. Die Männer jagten trotzdem dort … und sie verschwanden. Eine unserer jungen Frauen ging auf der Suche nach Mann und Sohn in den Wald und kehrte ebenfalls niemals wieder …" Ihre Stimme verlor sich im leisen Säuseln des Windes.
Der Wald war auf gar keinen Fall verflucht, soviel stand fest. Ich selbst hatte mit dreizehn Lenzen das Dorf verlassen. Und ich, war ich etwa verschwunden? Gut, es mochte etwas gedauert haben, bis ich zurückkam, aber ich war wieder da. Oder vielleicht nicht?
Die alte Frau erkannte mich nicht. Aber wie sollte sie auch? Ich erinnerte mich auch nicht wirklich an sie, obwohl das Dorf nicht viele Bewohner hatte und obwohl man sich im Alter weniger veränderte als in der Zeit zwischen Kindheit und Großjährigkeit. Acht Jahre jedoch, das war schon eine lange Zeit. Nein, ich hatte keine Ahnung, wer sie war. Allerdings war es auch nicht meine Aufgabe, das herauszufinden.
Die Vorstellung, es gäbe Geister im Wald, war so falsch ja nun nicht. Ich hatte in meinen Jahren dort viel erfahren und viel gelernt. Die meisten Menschen, die den Wald betraten, hatten sich aufgeführt, als gehöre alles dort ihnen. Sie hatten den Wald nicht respektiert, die Geister nicht – so wie ihre Urahnen lange zuvor – um eine gute Jagd oder um eine reiche Pilzernte gebeten. Und der Wald gehörte eben den Geistern, nicht den Menschen. Beide, die Geister und der Wald, waren schon seit langer Zeit hier, sehr viel länger als die Menschen.
"Kommt", flüsterte sie nun, "kommt mit mir. Es geht schon gegen Abend. Die Zeit der Geister beginnt, da sollte man nicht draußen sein." Wenigstens ein paar der alten Benimmregeln gegenüber Geistern schienen noch bekannt zu sein. Es war also nicht alle Hoffnung vergebens.
"Ihr habt wohl recht, Mütterlein. Weist mir ein Nachtlager zu. Morgen aber werde ich etwas für Euch tun."
Möglicherweise hatte etwas an meiner Stimme sich verändert, das eine Erinnerung in ihr weckte. Ich weiß es nicht. Ich bemerkte nur, daß ihre Augen weiter offen waren und gar nicht mehr so trüb blickten wie anfangs noch. Sie sah mich an, mit großen, fast schwarzen Augen. Erkannte sie mich? Nein. Sie sah mich aufmerksamer an als vorher, aber das war alles. Sie wandte sich wieder ab, und wir machten uns auf den Weg.
Schweigend ging sie vor mir her, wies den Weg in ihre Kate. Nur wenige Menschen begegneten uns, fast alles Frauen. Sie grüßten die Alte flüchtig, fast nachlässig. Hatten sie Angst? Auch sie, sagte ich mir, waren auf dem Weg zu ihren Heimstätten, wollten genau wie wir in einer menschlichen Behausung angekommen sein, bevor die Nacht das Land überzog.
Die kleine Hütte, umgeben von einem winzigen, kargen Garten, war ärmlich, aber sauber. Die Frau lebte allein dort, wenn man von den beiden Ziegen und den paar Hühnern absah, die in einem kaum abgetrennten Stallbereich untergebracht waren. Immer noch wortlos wies die Alte auf einen Haufen Heu und Stroh in der Nähe der Stelle, an der die beiden Ziegen angebunden waren. Diese meckerten kurz, störten sich aber nicht weiter an mir, und ich störte mich auch nicht an ihnen. Vom Wald her war ich Tiere in meiner direkten Umgebung gewohnt. Ich zog meine Decke aus meinem Bündel und machte mich zum Schlafen fertig.
Die Frau gab ihren Tieren noch schnell frisches Wasser und Futter; dann legte auch sie sich schlafen.
Die Nacht verging. Ich schlief gut, denn die Tiere waren ruhig, und ich spürte, die Geister hatten dieses Dorf nie verlassen.
Gleich nach dem Aufwachen am nächsten Morgen bat ich sie in Gedanken um gutes Gelingen. Dann brachte ich die alte Frau zum Waldrand.
"Ich möchte Euch etwas zeigen", sagte ich zu ihr. Ihr Blick war ängstlich, aber fest auf mich gerichtet. Ob sie schon etwas ahnte?
Nun, ich ließ mir nichts anmerken, sondern tat das, was ich immer tat, wenn ich den Wald betrat. Ich lehnte mich vorsichtig an einen der Bäume und sagte: "Nehmt mich bitte freundlich auf, ihr Wesen des Waldes, denn ich möchte nicht stören. Ich suche Nahrung und Wasser und bitte euch, mir von eurem Überfluß ein weniges abzugeben."
Nichts weiter. Ich wartete. Aber mit einemmal veränderte sich der Wald.
Die Blätter der Bäume erschienen heller grün als zuvor; die Sonne durchbrach das Blätterdach. Das Unterholz, zuvor undurchdringlich anmutendes Gestrüpp, war nun nur noch hohes Gras, das im leichten Wind sanft hin und her wogte. Die rauhe Borke der Bäume mochte einem für kurze Zeit wie faltige Haut erscheinen, und die Bäume selbst wurden für Augenblicke zu Elfen, Trollen und Zwergen, die freundlich blickten und uns zu sich heranwinkten.
Die Frau zögerte nicht. Als ich mich bedankte, tat sie nämliches und folgte mir.
Wir brauchten nicht lange zu gehen, bis wir zu einer Lichtung kamen, wo aus einem kleinen Felsenhügel eine Quelle entsprang. Ihr Murmeln klang wie ein Willkommen.
Um den Fels herum standen viele große und kleine Büsche. Aus diesen traten plötzlich mehrere Menschen hervor, ältere und jüngere Männer … und eine Frau mittleren Alters. Lächelnd, aber auch mit Tränen in den Augen, kamen sie näher.
Meine Begleiterin schrie heiser auf, nur halb vor Entsetzen, zur anderen Hälfte vor Glück, denn sie hatte jemanden wiedererkannt. Drei Männer liefen zu ihr, ein alter und zwei jüngere. Weinend umarmten sie einander.
Ich bewegte mich unbemerkt in den Hintergrund. Ich wollte die Wiedersehensfreude nicht stören, mich auch nicht einmischen. Sie würden wissen, was sie nun zu tun hätten.
Und richtig, anscheinend hatten sie endlich gelernt. Sie bedankten sich für den Schutz der Geister. Sie nahmen nur das mit, was zum Leben nötig war. Sie baten die Geister um Vergebung. Es hatte lange gedauert, aber endlich, endlich hatten sie es begriffen.
Ich aber hatte meine Wahl schon vor langer Zeit getroffen. Zu den Menschen wollte ich auf keinen Fall zurück, auch wenn ich den Geistern, dem Wald nun bewiesen hatte, daß sich diese ändern konnten. Ich versteckte mich daher zwischen dichten Büschen und ein paar Zwergen. Ihre Frage war nur ein Wispern im Wind. Die Menschen, die den Wald nun verließen – in echter, tief empfundener Dankbarkeit darüber, daß sie hatten weiterleben dürfen, daß sie ihre Freunde und Familien jetzt wiedersahen – die hörten es nicht einmal. Aber ich hörte es, und ich verstand es auch.
"Wird es wieder wie früher? Werden sie sich wieder mehr um uns kümmern?"
Ich nickte. Lange hatte es gedauert, das stimmte. Aber am Ende führte gar kein Weg daran vorbei.
Ich hatte meinen Platz gefunden. Langsam verwandelte ich mich in eine Birke. Um mich herum tanzten Elfen.
"Sie sind mit ihren Gedanken wieder bei euch", flüsterte ich im Wind, noch unhörbar für die meisten anderen Menschen. "Sie haben den Respekt vor euch wiedergefunden. Gerade noch rechtzeitig."
Die Elfen lachten und tanzten.
Der Mond ging auf, und wie etwas zu bewegliche, große runde Steine tauchten die Trolle auf, sangen den Mond an und schauten den Elfen zu. Die Bäume um mich herum wiegten sich träumerisch im raunenden Wind, und ich tat es ihnen gleich.
Tue es ihnen immer noch gleich.
Täglich kommen Menschen in den Wald. Sie bitten respektvoll um unsere Gaben und erhalten sie. Sie stören den Wald nicht mehr, zerstören ihn nicht mehr. Sie leben und lassen leben.
Ich habe nicht mehr gezählt, wieviele Tage oder Jahre vergangen sind. Um mich herum singt der Wind mit den Elfen sein ewiges Lied. Zwerge spielen zwischen Steinen und Pilzen Fangen. Es herrscht Harmonie.
Deshalb denkt an mich und an die Geister, nächstesmal, wenn Ihr einen Wald betretet.